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Donnerstag, 27. August 2015

Versuch eines Fazits ...




Unsere Pilgerreise ist zu Ende. Klaus meint, nachdem er meinen letzten Blogbeitrag gelesen hat: Wir waren viel zu kurz unterwegs! Nun, dann trifft unterbrochen es wohl besser. Auch ich bin mir sicher, dass wir es wieder tun werden, wie viele, die der Virus einmal gepackt hat. Ganz nach dem Motto: Das Ende einer Etappe ist nur der Anfang einer anderen…

Meine ‚Arbeit‘ beginnt ja oft erst dann, wenn die Reise zu Ende ist und ich meine Notizen aufarbeite. Was heißt Arbeit? Ich schreibe sehr gerne und es bringt mich nochmal ein bisschen auf den Weg zurück. An dieser Stelle übrigens ein ‚Danke‘ an die Leser, die zumindest virtuell ein Stück mitgelaufen sind. Gefreut habe ich mich auch über all die netten Kommentare. Vielen Dank dafür!

Während ich nun also die Notizen durchgelesen habe, kommen mir noch ein paar Dinge in den Sinn …

Natürlich habe ich einen kleinen Vergleich mit meinem großen Camino von 2011 gezogen. Okay, irgendwie ist es nicht wirklich zu vergleichen, denn die zwei  Pilgerreise könnten unterschiedlicher nicht sein:
Damals bin ich alleine, mitten im Winter losgezogen. War drei Monate unterwegs. Quer durch Frankreich und Nordspanien. Ziemlich unvorbereitet und recht ahnungslos. Habe sehr viel mit mir selbst gekämpft – innerlich und äußerlich.
Diesmal waren wir zu zweit, mit Hund. Dies mitten im Hochsommer, 6 Tage in Deutschland. Besser vorbereitet und eben wegen des Hundes mit vorbestellten Übernachtungsplätzen. Gelassener auf jeden Fall.

Und doch hatten die beiden Reisen durchaus Gemeinsamkeiten. Es fängt damit an, sich einfach auf den Weg machen. Zu Fuß der gelben Muschel auf blauem Grund folgen. Abstand nehmen zum Alltag, wieder ein bisschen näher zu sich selbst finden. Innehalten. Natur erleben, seine eigenen Grenzen kennenlernen … und alles was man benötigt auf dem Rücken tragend.

Apropos, wenn ich da schon beim Thema bin … Mir kam der Gedanke, hätte ich in 2011 gewusst, wie wenig Gepäck ich benötige, hätte ich mir wohl einiges an Schulterschmerzen erspart. Der Rucksack diesmal war rein vom Volumen her schon 20 l kleiner und nicht einmal ganz voll. Ich habe zu keiner Zeit das Gefühl gehabt, er drückt, belastet, ist zu schwer. Manchmal habe ich in überhaupt nicht gespürt, erst beim Abnehmen.

Meine Erkenntnis, für 4 oder 8 Wochen hätte ich auch nicht mehr Gepäck mitgenommen bzw. benötigt. Einzig, dass ich bei einer Pilgerreise im Winter nicht auf den großen warmen Schlafsack verzichten würde. 
 Ich erkenne aber auch, dass ich auf meiner ersten Pilgerreise einfach noch mehr Ballast zu tragen hatte, manches wohl auch nicht loslassen konnte. Dies gilt im übertragenen, wie im wörtlichen Sinn, denn das hat sich dann eben auch in meinem Gepäck widergespiegelt.

Eine gute Ausrüstung lohnt sich, so meine Meinung. Das heißt aber nicht, dass alles ‚High Tech‘ und teuer sein muss (der Preis sagt nichts über die Qualität aus). Aber z.B. Funktionskleidung ist etwas Sinnvolles. Alleine schon, weil sie leicht ist und schneller trocknet. Es gibt auch keine Pauschalempfehlung für Dinge wie Schuhe etc. Ich denke, dass muss jeder für sich herausfinden, ausprobieren.
 
Was unsere Erlebnisse betrifft, mit Hund zu pilgern … Der Wagen hat sich bewährt. Soviel ist sicher. Nicht nur war es eine Entlastung für Clyde, so dass er nicht die ganze Strecke laufen musste (er hat ja doch etwas kürzere Beine). Auch das er z.B. in Städten oder wenn der Weg an einer Straße entlang führt darin sicher aufgehoben ist. Auch kann sein Gepäck (Handtuch, Futter etc.) darin transportiert werden.
Die Hundeanhänger/ -wagen sind nicht besonders gefedert. Besser gesagt gar nicht. So hatte ich für seinen ‚Ferrari‘ eine Matratze besorgt. Diese ist aus festem Schaumstoff und genau an den Wagen angepasst (mit Platz um vorne eine Flasche Wasser ‚einzuklemmen‘). Vorteil ist zum einen natürlich die Polsterung und der Hund steht nicht auf dem nackten Boden. Zum anderen hat es den Effekt, dass Clyde höher sitzt. Und dann auch wirklich sitzt und nicht nur steht um rauszuschauen.

Es war schön ihn dabei zu haben. Doch es ist auch anstrengender. Der Wagen muss geschoben werden, was bei machen Abschnitten des Weges gar nicht so einfach war; ich sag nur Bachläufe und Treppen. Ganz zu schweigen von umgestürzten Bäumen, über die man den Wagen hieven muss.
Anstrengend ist es auch für den Hund. Er hat einfach nicht seine gewohnten Ruhepausen, die Umgebung ist ungewohnt und er versteht ja nicht wirklich was passiert. Und Clyde ist nicht mehr so ganz der Jüngste und die Hitze hat ihm doch sehr zu schaffen gemacht.
Mit Hund ist man gebundener. Soll heißen, die Übernachtungsmöglichkeiten sind eingeschränkter, auch Besuche in Kirchen oder im Supermarkt sind mit Hund meist nicht möglich. Wie gesagt, es war eine tolle Erfahrung ihn dabei zu haben, aber ob wir das nochmal tun, keine Ahnung …
Noch eine Anmerkung: der Wagen lässt sich mühelos zu einem Fahrradanhänger umbauen, wofür er weiterhin benutzt wird.

»Man muss es aushalten, denn am Ende ist man wohl nicht nur derjenige, der man war und ist und sein wollte, sondern auch derjenige, den die anderen sehen.«

Zu zweit unterwegs sein (okay zu dritt, aber in diesem Fall meine ich die beiden Menschen) ist definitiv anders als alleine. Ich gebe zu, mir hat manchmal die Einsamkeit gefehlt, um einfach meinen Gedanken in Ruhe nachhängen zu können. Oder alleine durch einen stillen Wald pilgern, nur den eigenen Schritten lauschen. Ganz bei mir sein und nur der eigenen inneren Uhr folgend.
Andererseits war es schön, das Erlebte gleich zu teilen. Das hat es dann vertieft, denn – so haben wir festgestellt – jeder sieht die Welt mit seinen Augen. Will sagen, oft hat Klaus Dinge gesehen oder wahrgenommen, die mir nicht aufgefallen sind – um umgekehrt. Das hat die Pilgerreise vielfältiger gemacht. Auch z.B. das ich nicht immer alleine entscheiden musste, welchen Weg ich gehe, wenn ein Wegweiser fehlte. Es ist ein intensiveres Zusammensein, 24 Stunden am Tag. Ich lerne Rücksicht nehmen, vielleicht Kompromisse eingehen und doch immer ich bleiben.

Was ich wirklich empfehlen kann: Wir hatten ein Handy für den Notfall dabei, aber das war die ganze Zeit im Rucksack ‚vergraben‘. Ansonsten kein Fernsehen, kein Radio, keine Telefonate, kein Internet. Einfach mal ganz und gar weg sein. Macht den Kopf frei …

Wie immer waren die Begegnungen auf dem Weg etwas Besonderes. Die unterschiedlichsten Typen von Menschen, die sich im normalen Alltag wahrscheinlich nicht begegnen würden. Und auch wenn jeder ein anderes Motiv hat, sich auf die Reise zu begeben, so streben wir alle einem Ziel entgegen. Und damit meine ich nicht nur im eigentlichen Sinn Santiago. Nein, eher das Unterwegs sein, das mit sich sein, das laufen und sich dabei sehen, wie weit reichen meine Kräfte – um sich am Ende des Tages zu freuen das Etappenziel erreicht zu haben. Sofort ist unter Pilgern eine Vertrautheit da, die ich sonst nur aus meiner Selbsthilfegruppe kenne. Das Verbindende ist wichtig, nicht das was trennt.

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Das Reisen ist wie ein Leben im Zeitraffer. Alles passiert irgendwie superschnell. Auch wenn man zu Fuß unterwegs ist. Doch, all die Begegnungen, all die Abschiede und auch das Loslassen lernt man schneller. Man lernt sich selbst besser kennen und entdeckt viel Neues innerhalb und nicht nur außerhalb von seinem selbst. Man trifft die eigenen Gedanken, die irgendwann unterbrochen wurden, die verloren zu sein schienen und das denen neue Gedankenabläufe entstehen und uns jetzt zu dem machen können, was wir sind.
Auf einmal können wir uns daran erinnern, wie wir sind. Wir lernen immer mehr dazu, zum Beispiel, dass man Traurigkeit wunderbar in Dankbarkeit umwandeln kann.
So will ich nicht traurig sein, dass es vorbei ist, sondern bin glücklich, dass ich es erleben durfte.

 


In diesem Sinne: Ultreia – bis zum nächsten Mal irgendwo auf dem Jakobsweg...

Dienstag, 25. August 2015

Waldläufer ...



6.8.15 – Donnerstag; Weingarten nach Brochenzell


 Aufstehen, ins Bad, dann Clyde versorgen und Gassi gehen. Das Morgenritual. Anschließend, als Klaus dann auch so weit ist, ganz wichtig: frühstücken. Im Gasthof wird ein reichhaltiges Büfett angeboten, dass das Pilgerherz höher schlagen lässt. Aber vorweg muss ich erstmal einen Kaffee trinken und stelle sofort fest: der ist maximal noch als lauwarm zu bezeichnen! Ich kann am Morgen ohne Essen aus dem Haus, von mir aus auch im strömenden Regen, aber ohne eine ordentliche Tasse heißen Kaffees bin ich einfach nicht zu gebrauchen. Nachdem ich die Dame an der Theke höflich gefragt habe, ob wir einen heißen Kaffee bekommen können (was gar kein Problem ist), sehen wir, wie sie am Schaltknopf des am Büfett stehenden Kaffeeautomaten dreht. Da hat wohl irgendwas nicht gestimmt. Und keiner der anderen Gäste hat etwas gesagt. Ist doch irgendwie wieder typisch, lieber nimmt man den lauen Kaffee in Kauf und ärgert sich über den „schlechten Service“, als das man einfach mal nachfragt, warum …
Klaus freut sich, denn es gibt Pfannkuchen. Er meint: »Normalerweise esse ich die ja am liebsten mit Ketchup, aber es gibt wohl keinen …«. Ich muss mich bei dem Gedanken schütteln! Aber mir bleibt der Anblick erspart und er nimmt stattdessen von den verschiedenen Sorten der angebotenen Marmelade (die richtig selbstgemacht aussieht und sehr lecker ist).
Als wir dann endlich mit Frühstücken fertig sind, packen wir unseren Krempel zusammen.  Immerhin müssen wir uns heute nicht um eventuell nicht getrocknete Kleidung kümmern, denn wir haben gestern nicht gewaschen. Eines der schönsten Dinge an solch einer Reise ist es ja, dass sie nicht nach einem Tag endet. Das Wissen darum, morgen wieder unterwegs zu sein, bringt uns dazu, Kräfte zu mobilisieren, von denen wir vielleicht gar nicht wussten, dass wir sie haben.
Der Weg geht weiter und weiter. Das wird er auch, wenn ich ihn längst verlassen habe – und wenn ich wiederkomme.
Für uns ist ja leider heute schon unser letzter Tag auf dem Jakobsweg. Bei der Suche nach Unterkünften konnte ich am heutigen Etappenziel niemanden finden, der uns mit Hund aufgenommen hätte und ein Hotel gibt es nicht. So hatten wir beschlossen, eben einen Tag früher als ursprünglich geplant aufzuhören. Doch, wir lassen uns davon die Laune nicht verderben und tun so, als hätten wir noch Wochen auf Pilgerpfaden vor uns.

die Basilika von Weingarten
Das ‚tappen‘ meiner Zehen lasse ich heute auch weg. Die Blase schmerzt nicht und durch die Hitze war gestern das Pflaster ganz klebrig und unschön geworden. Die Druckstelle oberhalb der Ferse ist auch so gut wie nicht mehr spürbar. Ich wäre jetzt so richtig ‚eingelaufen‘ …

Draußen spüren wir jetzt schon, dass es heute wieder ein heißer Tag wird. Selbst die Morgenluft – vor allem hier in der Innenstadt von Weingarten – ist warm. Nun, wir haben genug Flüssigkeit ‚an Bord‘, also los.
Gestern hatten wir in der Nähe der Basilika einen Hinweis gesehen, wo der Jakobsweg weitergeht. Von dort laufen wir nun mehr oder weniger einmal um den Block, bis wir fast wieder vor unserem Hotel stehen. Toll. Kleiner Umweg. Wenn man das immer vorher so wüsste … Doch so früh an einem Wandertag, kann man sich über derlei Dinge noch amüsieren. Vor lauter rumalbern verpassen wir wohl ein Wegzeichen, bleiben stehen und überlegen, ob wir hier überhaupt richtig sind. Ein freundlicher Herr, der gerade vor uns einparken möchte, fragt aus dem Autofenster heraus: »Wohin möchten Sie denn? Suchen Sie den Jakobusweg?« Wir bejahen dies. Er daraufhin: »Wenn sie hier durch den Friedhof gehen, geradeaus durch, dann kommen sie oben wieder auf die Reutebühlstraße. Da ist auch der Jakobsweg.« Wie nett, vielen Dank! Auch wenn ich es schon kenne, überrascht mich die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen am Weg immer wieder aufs Neue.

Gut. Wir also durch den Friedhof. Clyde sitzt in seinem Wagen und schaut neugierig raus. Hoffe ja nur, da kommt jetzt keiner und motzt, weil wir den Hund mit auf das Friedhofsgelände nehmen, wo diese ja grundsätzlich verboten sind (wofür ich gar kein Verständnis habe, aber dies sei nur am Rande erwähnt). Auf der anderen Seite finden wir ein Tor, von wo aus ein kleiner Schotterweg mit Treppenstufen hinauf zu einer Kapelle mit Kreuzweg und der besagten Straße führt. Klaus ackert den Wagen hoch. Hierbei rüttelt es wohl so stark, dass eine Flasche mit Apfelsaftschorle herausfällt (die ‚Eingangsklappe‘ ist offen). Toll. Sofort merkt Klaus, als er sie aufhebt, dass die Plastikflasche wohl auf einen Stein geprallt ist und nun ein Loch hat, durch das das Schorle rausspritzt. Zum Glück habe ich gestern im Kaufland noch eine 1, 5 l Sprudelflasche geholt, die inzwischen halb leer ist und in die wir das kostbare Nass umfüllen können. Ich gehe zurück zum Friedhof, um meine klebrigen Hände zu waschen, begegne dem netten Herrn von vorhin und bedanke mich nochmal bei ihm.

Wir kommen langsam aus der Stadt Weingarten hinaus. Immer den Jakobswegzeichen folgend. Es geht den Berg hoch und hoch und hoch. Scheinbar endlos. Also ich bin ehrlich, den Abschnitt würde ich nicht gerne am Ende eines langen Wandertages laufen wollen. Doch jetzt am Vormittag sind wir noch frisch und munter und schaffen den Aufstieg (fast) ganz mühelos.
Endlich mehr oder weniger oben, gelangen wir in das Naherholungsgebiet der Stadt Weingarten, bzw. Ravensburg. Wunderschöne breite Waldwege und viele Bänke. Ich denke laut: »Irgendwie sind die einfach zu ungleich verteilt. Hier gibt es an jeder Ecke eine Bank, aber wenn wir eine suchen, dann ist weit und breit keine in Sicht.« - Sicherlich durch die Nähe der Stadt bedingt, sind hier schon eine Menge Leute unterwegs: Spaziergänger, Jogger, Wanderer. 

Und Pilger. Denn kurz vor Ravensburg holen Elisabeth und Christine uns bei einer Fotopause ein und bis in die Stadt gehen wir zu viert weiter. Wobei wir an deren Rand durch das Villenviertel kommen und die großen Häuser bestaunen. Wir drei Frauen machen uns allerdings auch Gedanken dazu, wieviel Arbeit das Putzen eben jener bedeutet … also so eine Drei-Zimmer-Wohnung reicht ja eigentlich auch aus, oder …

Ravensburg selbst erscheint uns laut und voller Autos. Was jedoch, als wir die Altstadt betreten, besser wird. Die beiden Damen müssen noch ins Tourismusbüro, um sich um eine Übernachtung am Bodensee zu kümmern. Wir schauen auf einen Stadtplan, der gleich neben dem Frauentor steht, und beschließen, zur Kirche St. Jodok zu laufen und dann aus der Stadt raus. Doch der Plan auf den wir schauen ist entweder total veraltet oder der Künstler hat seiner Fantasie hier freien Lauf gelassen. Jedenfalls stimmen die Straßenverläufe nicht so ganz mit der Realität überein. Mit anderen Worten, wir verlaufen uns in den Gassen der Innenstadt.
Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir raus sind. Was auch daran liegt, dass wir noch nach einem Laden suchen um etwas zu trinken zu kaufen. Allerdings werden wir nicht fündig. Ich lese im Pilgerführer, dass wir am Bahnhof vorbei müssen. Nun, da gibt es meist einen Laden, der zumindest eine Flasche Wasser hat. Gesagt getan, wir gehen in die Richtung. Gleich neben dem Bahnhofsgebäude ist ein Bio-Supermarkt. Na, die müssten doch auch Getränke verkaufen. Tun sie, aber nur in Glasflaschen. Okay, umwelttechnisch vielleicht besser, aber wenn man zu Fuß unterwegs ist und sein ‚Hab und Gut‘ auf dem Rücken trägt, weniger effektiv. Letztlich gehe ich dann doch in den Bahnhofsladen. Zwar will die Frau dort meine leeren Flaschen nicht annehmen, aber immerhin erstehe ich zweimal 0,75l Wasser.

Die Wegweiser führen uns noch ein ganzes Stück durch Ravensburger Wohngebiete. Zum Glück gibt es einen Fuß- und Radweg, der nicht ganz direkt neben der Straße verläuft und zudem ein paar ganz hübsche Aussichten bietet – aber keine Schattenbank.
Die finden wir dann erst außerhalb der Stadt. Ein bisschen ausruhen und Kräfte sammeln.
Von hier geht es dann wieder ab in den Wald. Die Wege sind einigermaßen breit und vor allem gibt es Schatten. Etwas später pilgern wir für vielleicht zwei bis drei Kilometer an einem kleinen Bach entlang. Als wir an einem Waldparkplatz von diesem abbiegen müssen, stellt Klaus sich ins Wasser. Er sagt, es kühlt die Sohlen seiner Wanderschuhe. Das funktioniert wirklich, meint er. Auch Clyde kühlt sich die Sohlen, bzw. Beine.

Die Wege hier sind wirklich gut zu laufen und Zeichen und Hinweise reichlich vorhanden. Aber gegen Mittag macht sich doch ein wenig Erschöpfung breit. Denn, trotz des Schattens im Wald, ist es heiß und es gibt weder Bänke zum darauf sitzen, noch Wiesen zum darin liegen. Hin und wieder ein Halt, dass Clyde etwas trinken kann, aber ausruhen ist das nicht.
Doch auch hier hat der Jakobsweg so seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Er gibt einem was man braucht, wenn man es sich stark genug wünscht. Als wir nämlich schon fast so weit sind, uns einfach mitten auf den Waldweg zu setzten, gelangen wir an einen großen Wald-Grill-Rastplatz. Richtig schön! Die großen Bäume bieten reichlich Schatten, ein leichter Wind weht von der Lichtung her und es gibt Bänke und Tische. Jeder belegt gleich mal eine solche Bank. Etwas trinken, eine Kleinigkeit essen (wobei, mehr als ein Müsliriegel geht nicht, da ich irgendwie gar keinen Hunger habe) und dann lang ausstrecken. Herrlich.

Nach etwa einer Stunde machen wir uns wieder auf den Weg. Dieser führt uns laut Wanderführer erstmal auf einen breiten Forstweg, dann auf einen ‚Romantischen Weg‘ an einem Bach entlang. Was meint er nun wieder mit ‚romantischer Weg‘? Ist der besonders zugewachsen, uneinsichtig, schmal oder erdig? Ich befürchte schon das Schlimmste. Aber letztlich stellen wir fest, es ist einfach ein etwas geschwungener Waldweg, aber gut begehbar, bzw. befahrbar.
Bis da, wo dann im Pilgerführer steht: Radfahrer müssen ihr Rad hier kurz schieben bzw. tragen! – das ist verdächtig. … und ich frage mich, als wir an eben diese Stelle kommen, ob die Fahrräder hier überhaupt durchpassen. Vor uns ein Steg, der über den Bach führt. Prinzipiell nicht schlimm, wäre der Steg nicht extrem schmal, und man muss erstmal ein paar Stufen rauf, rüber, Stufen runter und dann einen Abhang hinauf. Klaus ist am Schwitzen, Clyde muss selbst laufen. Sehr romantisch, wirklich.

Die 12 km bis Hungersberg sind fast einsam und ich fühle mich wie ein Waldläufer (gleichwohl ich farblich, so in rot, nicht wirklich getarnt bin). Wir folgen dem gelb-blauen Muschelzeichen, die es hier zum Glück reichlich gibt. Kurz vor dem kleinen Ort dann, mitten im Wald und ohne Vorwarnung, eine Gabelung. Nach rechts Jakobswegwegweiser, ebenso nach links. Hm. Eine genauere Betrachtung des Schildes zeigt an, das rechts ein angeblich ‚schattiger Nebenweg‘, links der im Pilgerführer beschriebene Hauptweg verläuft. Der führt bald aus dem Wald hinaus und entlang einer kleinen Straße, so lese ich in meinem Büchlein. Hm. Was tun? Bei dem Nebenweg haben wir keinen Schimmer, wo der wieder auf den Hauptweg trifft. Hinweise hierzu fehlen gänzlich. Risiko eben. Letztlich entschließen wir uns dann den Hauptweg zu nehmen. Nach der Erfahrung der letzten Tage, ist es gut möglich, dass plötzlich keine Beschilderung mehr da ist und mit Hilfe des Wanderführers hat man doch zumindest einen Anhaltspunkt.

Gleich nach dem Ort Hungersberg, steht am Rande eines großen Bauernhofes eine kleine Pilgerkapelle; natürlich wollen wir einen Blick hineinwerfen. Wir müssen so oder so pausieren, Clyde ist total fertig und braucht dringend etwas Ruhe. Er legt sich im Schatten ins Gras und will von der Welt nichts mehr wissen. Ich kühle ihn ein wenig, indem ich sein Fell nass mache. Da sich unsere Wasservorräte auch dem Ende zuneigen, fragt Klaus den Bauern, der im Hof rumwerkelt, ob wir hier welches bekommen könnten. Wir können und Klaus füllt alle leeren Flaschen.

Nach ca. 15 Minuten habe ich den Eindruck, dass Clyde sich etwas erholt hat. Ich mache noch sein ‚Halstuch‘ nass bevor er wieder in seinen Wagen einsteigt. Wir müssen jetzt leider noch ein Stück an einer kleinen, zum Glück wenig befahrenen, aber sehr heißen Landstraße laufen.
Gegen Ende der Etappe führt der Weg uns dann ein Stück am Flüsschen ‚Schussen‘ entlang. Klaus hält vergeblich Ausschau nach einem geeigneten Platz, an dem er seine Füße ins kühle Nass hängen, bzw. wo Clyde baden könnte. Aber nichts zu machen. Die Uferböschung ist ziemlich dicht und hoch und es gibt einfach keinen Zugang. Also weiter den Grasweg entlang.
Plötzlich sehen wir etwa 100 m vor uns zwei Zelte stehen und ein paar Männer, die auf Bierkisten hocken. Das heißt Clyde hat sie zuerst bemerkt, bzw. deren Hund. Sind wir hier noch richtig? Der Weg ist kaum zu erkennen und warum sollten die mitten auf dem Wanderweg zelten? Gleichwohl, die wissen das vielleicht nicht? Wir gehen vorsichtig weiter. Tatsächlich, der Weg führt hier entlang und die Typen campen mitten darauf. Na dann, Prost.

Und endlich, Ankunft in Brochenzell, unser heutiges Etappenziel und das Ende unserer diesjährigen Pilgertour. Erstes Ziel, die kleine St. Jakobus-Kirche des Ortes. Hier gibt es, was wir nun schon häufiger gesehen haben, einen Aufkleber mit dem Stempel für Pilger (wahrscheinlich haben zu viele nicht so nette Menschen den Original-Stempel als Andenken gesehen und entwendet und die Stadt war es leid ihn zu ersetzen). Auch ein Buch um ein paar Gedanken loszuwerden liegt aus. Das nutze ich und bedanke mich bei unseren Schutzengeln, dass bis hier alles so gut gelaufen ist …
Eine Besonderheit gibt es noch, die mir erst auf den zweiten Blick auffällt. Zunächst dachte ich, die Kirche sieht von innen durchaus eher so nach 70er-Jahre aus. Doch jetzt stelle ich fest, dass der vordere Teil, also dort wo der Altar steht, ganz alt erscheint. In meinem schlauen kleinen Büchlein lese ich später, dass die ursprüngliche Kirche, die aus dem 18. Jh. stammt, irgendwann zu klein wurde. Man hat dann einfach die Südwand aufgebrochen und einen Erweiterungsbau angefügt. Die Mischung ist wirklich interessant.

Nächster Halt: Gartenwirtschaft, die ‚Waldschenke‘. Der grüne Schirm sah schon von weitem einladend aus. Endlich bekomme ich meine kalte Cola, von der ich seit Köpfingen ‚träume‘. Klaus gönnt sich ein Radler. Und auf Anfrage macht uns die Wirtin persönlich einen sehr leckeren Wurstsalat. Da wir von hier aus ja nicht mehr weiterlaufen, tausche ich die schweren Wanderschuhe gegen meine leichten Trekkingsandalen und wir lassen es uns einfach gut gehen. Als wir gerade an einen anderen Tisch wechseln wollen, um mit dem Schatten des Schirmes zu wandern, sieht Klaus in der Ferne einen roten Hut, meint: »Die kennen wir doch!« und winkt heftig. Christine und Elisabeth gesellen sich zu uns und so können wir noch ein bisschen Abschied feiern. Wir vier hatten ja in etwa das gleiche Tempo und haben uns immer mal wieder getroffen. Zusammen reflektieren wir den gelaufenen Weg und so fühlt sich das Ganze etwas runder an ...

Irgendwann machen die zwei sich auf zu ihrem Nachquartier und wir zur vereinbarten Abholstelle. Kurt, Klaus Bruder kommt um kurz nach sieben. Als Clyde das Auto sieht, steigt er sofort ein – auch wenn er es nicht kennt. Nach dem Motto: ich will jetzt fahren, bequem und klimatisiert! Nicht mehr laufen oder im Ferrari durchgerüttelt werden.
Kurz vorher hatten wir uns noch darüber unterhalten, dass wir – also Klaus und ich - durchaus noch ein paar Tage hätten weiterlaufen können. Doch wir erkennen jetzt, spätestens morgen hätte Clyde einen Ruhetag benötigt. Für ihn ist es, glaube ich, noch anstrengender als für uns, da er ja nicht wirklich versteht, was passiert. Ich weiß, was mich erwartet, wenn ich pilgere. Ich weiß, was die Hitze ausmacht und das Erschöpft sein. Ich verstehe, warum wir in verschiedenen Unterkünften übernachten usw. Clyde dagegen möchte nur einfach bei Frauchen sein, aber warum das drumrum sein muss, kann er nicht nachvollziehen, macht eben einfach mit. Das ist, so denke ich, schon stressiger für den Hund.

Wir brauchen etwas mehr als eine Stunde für die Fahrt nach Laupheim. So nach sechs Tagen zu Fuß unterwegs kommt es mir ganz komisch vor im Auto zu sitzen. Und vor allem die Strecke so schnell zurück zu legen.

Bei Klaus zuhause heißt es dann erstmal Rucksack runter, Schuhe aus und duschen … auspacken können wir morgen noch … nur nicht so schnell mit dem Weg abschließen …

Fortsetzung folgt …

Montag, 24. August 2015

weg sein ...



5.8.15 – Mittwoch; Bad Waldsee nach Weingarten

»Der Weg verleugnet sich häufig selber, um dem Reisenden anzuspornen herauszufinden, was sich hinter der nächsten Kurve befindet.« (Paolo Coelho)

Ich habe ganz gut geschlafen und als um 06:00 Uhr der Wecker klingelt, kann ich leicht aufstehen. Klaus kriegt nicht gleich die Kurve. Die Mücken- und Bremsenstiche haben ihn in der Nacht ziemlich schlimm gejuckt (und wach gehalten) und das Mittel, das wir eben gegen den Juckreiz dabei haben, juckt das gar nicht; mit anderen Worten: es hilft wenig.

Nachdem ich im Bad war, mache ich Clyde sein Frühstück, das er heute ganz und gar aufisst, und laufe mit ihm Gassi. Er möchte aber gar nicht so wirklich laufen. Das liegt nicht etwa daran, dass er genug vom Laufen hätte. Nein, aber wenn wir unterwegs sind und nicht ‚sein ganzes Rudel‘ um ihn ist – vor allem eben in ungewohnter Umgebung – dann entfernt er sich nicht gerne vom Standort, sprich Hotel (oder Auto etc.) ... Kleiner Angsthase eben … Nun wenigstens besteht auch nicht Gefahr, dass er wegläuft.

Wir packen alles zusammen. Bevor ich meine Schuhe anziehe, ‚tape‘ ich meine Zehen mit Pflaster, das ich gestern in der Apotheke gekauft habe. Zwar tun die Blasen nicht weh, aber ich möchte doch vermeiden, dass es eventuell unangenehm zum Laufen wird.

Klaus bastelt immer wieder daran herum, wie er die Tasche in Clydes Wagen besser befestigen könnte. Die Wege sind teilweise ja doch etwas anspruchsvoll. Das Gerüttel und Geschüttel dieser unebenen Wege tut das seinige und die Tasche rutscht hin und her. Es funktioniert inzwischen ganz gut, aber Klaus meint: beim nächsten Mal machen wir das ganz anders! Höre ich da etwa heraus, dass ihn diese Art des Reisens gefällt und wir das mal widerholen?

Nach einem sehr reichhaltigen Frühstück sieht die Welt schon wieder richtig gut aus.  Wir packen, zahlen, ziehen los. Zunächst allerdings erstmal nochmal zur Apotheke. Klaus möchte sich etwas gegen den Juckreiz, der ihn die Nachtruhe gekostet hat, besorgen. Clyde und ich warten derweil an der großen Kirche. Die Luft ist noch richtig schön so am Morgen. Frisch und angenehm.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt Klaus wieder. Die Dame in der Apotheke hat ihn sehr ausführlich beraten. So ausführlich, dass er irgendwann fast verwirrt war. Letztlich hat er sich für ein Homöopathisches Mittel entschieden, Ledum D6 Globuli. Na, ich bin gespannt, ob die bei ihm wirken. Ich persönlich glaube durchaus an die Wirkung dieser Mittel. Clyde z.B. bekommt auch welche, wenn er besonders aufgeregt ist. Doch in diesem Fall … nun, ich denke mir, schaden kann es nicht und nehme auch welche. Von der Hitze habe ich an der Hüfte einen leichten Ausschlag bekommen, der etwas juckt.

Gegen neun Uhr geht es dann endlich los und ziemlich gleich mit einer Hürde: mal wieder Treppen. Es ist ja noch früh am Morgen und Klaus meint heroisch: Das geht! Just in dem Moment als Klaus schon anfangen will, den Ferrari die Stufen hochzuhieven, spricht uns ein Mann, der mit seinem Jungen vorbeikommt, an,. „Sie können auch hier die Straße hochlaufen und dort oben rechts kommen Sie auch an die Kapelle.“ Wir bedanken uns. Das erspart uns bzw. Klaus eine Kraftanstrengung gleich am Morgen.
Oben angekommen, machen wir erst einen kurzen Abstecher in die Frauenbergkapelle, dann zur Esso Tankstelle (ich muss sehr dringend meinen Morgenkaffee loswerden).
 
Aus Bad Waldsee hinaus ist der Jakobsweg gut gekennzeichnet. Und bald laufen wir durch Wald und Flur. Breite geschotterte Waldwege machen das Vorwärtskommen leicht. Klaus ‚Taschentechnik‘ ist inzwischen ganz gut ausgereift und Clyde hat mehr Platz im Wagen; wobei er erstmal noch ein bisschen selbst läuft.

Die erste Häusergruppe, Arisheim, ist relativ schnell erreicht. Der breite Waldweg führt uns aus dem Wald heraus und daran entlang. Die Gegend hier sieht so richtig nach Allgäu aus (das ja nicht weit weg ist): weite Felder, dazwischen Kuhweiden, vereinzelte Bauernhöfe und alles ein bisschen hügelig. Am Ortsausgang treffen wir unverhofft auf eine kleine Pilgerkapelle. Wir halten einen Moment inne. Der Platz ist sehr schön mit Bänken und Tischen, aber leider in der prallen Sonne ohne Schatten. Doch wir lassen es uns nicht nehmen, den Stempel in unserem Pilgerpass zu verewigen und ich hinterlasse eine Notiz im ‚Gästebuch‘.

Im weiteren Verlauf führt der Jakobsweg an einem Sträßchen entlang. Wir sind am Diskutieren. Das heißt Klaus erzählt mir etwas, aber irgendwie bin ich dafür heute überhaupt nicht zugänglich.
Auf dieser Reise bin ich ja nicht allein unterwegs, was, wie ich schon festgestellt habe, durchaus Vorteile hat: z.B. machen wir mehr Pausen, ich kann mich über Erlebtes austauschen usw. Aber ich gebe zu, ich habe auch Momente – so wie eben jetzt - da sehne ich mich nach der Einsamkeit meiner Pilgerreise in 2011 zurück. Einfach mal ohne reden, nur mit mir und meinen Gedanken, vor mich hin trotten. Ich werde etwas ungehalten ... Tja, das müssen wir wohl noch lernen, wenn wir auch weiterhin zusammen Pilgerreisen unternehmen wollen...

Vor lauter Genervt-sein, biegen wir falsch ab, was uns einen Umweg von gut zwei bis drei Kilometern bringt; allerdings auch eine geeignete Stelle für eine Pinkelpause.
Schlechte Laune dauert bei mir nie lange an. Ich habe meine ‚5 Minuten‘ und vergesse dann was war, beruhige mich schnell wieder. So auch heute. Zu schön ist das Wetter und das Laufen.

 Am Ortseingang von Gwigg, bietet uns eine ältere Frau, die gerade vor ihrem Haus steht, an, unsere Wasserflaschen zu füllen. Wie fast jeder befragt auch sie uns, zu Clydes Wagen, dem Hund etc. Und sie stellt sicher, dass wir auch seine Schüssel mit frischen Wasser füllen.
Nachdem wir eine Weile mit ihr geplaudert haben, pilgern wir weiter in Richtung Kirche. Wir treffen Marion und Sonja und gehen ein Stück zusammen.
Dieser Abschnitt ist nicht so schön, führt er uns doch an einer Straße entlang. Der Asphalt ist heiß und strahlt diese Wärme, zur sowieso schon herrschenden Hitze, ab. Sonja und Marion machen bald eine Pause, wir laufen weiter. Wir sehnen uns nach einer Bank im Schatten am Waldrand.

Und siehe da, nachdem wir den Ort Engenreute und ein Zeltlager von ‚Raubrittern‘ (die uns aber gänzlich in Ruhe lassen, da wir wohl nicht wie Wegelagerer aussehen) passiert haben, werden wir am Waldrand im Schatten fündig. Etwas trinken, essen, Clyde ruht sich aus.

Als wir gerade wieder aufbrechen kommen die zwei anderen und belegen die Bank. Wir ziehen weiter. Clyde ist müde und hat keine Lust zu laufen. Wenn er in den Wagen einsteigen will, zeigt er dies deutlich. Er folgt Klaus penetrant auf den Fersen, riskiert sich einen Nasenstupser zu holen, bis Klaus anhält und er einsteigen kann. Immer nach dem Motto: Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen!

Der Weg führt nun wieder in den Wald und hier wird es, was die Wegführung angeht auch wieder spannend.  Plötzlich sind partout keine Wegweiser mehr zu finden. Die Beschreibungen im Pilgerführer verwirren eher, als dass sie helfen. Z.B. wir eine Hütte erwähnt. Wir finden auch eine, stelle aber später fest, als wir noch eine Hütte finden , dass war sie gar nicht. Und ständig ist von Querwegen die Rede. Nur ist irgendwie jedes Mal etwas anderes gemeint, mal eine Gabelung, mal eine Kreuzung; der beschriebene Waldsee ist wohl inzwischen ausgetrocknet und auf der ‚Lichtung‘ steht heuer ein Maisfeld ...

Der Tag ist nicht nur heiß – selbst hier im Wald - sondern auch irgendwie zäh. Durch die schlechte Beschilderung, müssen wir ständig stehenbleiben und den Weg suchen, raten wo es lang geht. Das drückt ein wenig die Stimmung und zehrt an den Nerven.

Wir laufen bestimmt ein bis zwei Kilometer extra, als wir einen Weg einschlagen, uns dann nicht mehr sicher sind ob es stimmt, ihn wieder zurück gehen um dann zu beschließen: der könnte es doch sein – und die anderen Wegen stimmen gefühlsmäßig irgendwie auch nicht.
Der Weg war der richtige. An einer Hütte machen wir Pause und nach kurzer Zeit kommen die vier anderen Pilger, die wir nun schon gut kennen. Wir gehen zu sechst weiter.

Jetzt wird der Weg richtig „nett“. Zwar gibt es wieder ausreichend Beschilderungen, aber dafür sind die Wege eher ausgewaschene Bachläufe und es geht entweder steil hoch oder runter. Klaus hat seine Nöte mit dem Ferrari, zumal sich Clyde strikt weigert auszusteigen. Zum Glück hat es in den letzten Tagen nicht geregnet und der Boden ist fast überall trocken. Nicht auszudenken, wie es ist, wenn hier noch alles matschig wäre.

Irgendwie pfeifen wir alle aus dem letzten Loch; vor allem der Mangel an Rastplätzen und Möglichkeiten, Wasser nachfüllen, macht uns zu schaffen.
Nach einem weiteren Anstieg empfängt uns der Ort Köpfingen mit dem Schild des Gasthauses Frohe Aussicht, dass ausdrücklich Pilger willkommen heißt. Wir atmen auf.
Doch als wir die Gaststätte erreichen, ist die Enttäuschung groß, denn eine Tafel am Eingang verkündet: Mittwoch Ruhetag. Allgemeines Aufstöhnen. Oh nein! Und ich hatte mich so auf ein eiskaltes Cola gefreut. Wir beschließen trotzdem in dem schattigen Biergarten eine Pause einzulegen. Ich laufe ums Haus um zu schauen, ob es wenigstens irgendwo einen Wasserhahn gibt. Es gibt keinen. Und nach Weingarten sind es noch gut 3 km.

Doch so oder so tut die Pause gut und bald brechen wir wieder auf. 
Christine und Elisabeth ziehen als erste weiter. Marion und Sonja wollen versuchen den Hofladen zu finden (wir hatten am Orteingang ein Schild für einen eben solchen gesehen), um ihre Getränkevorräte aufzufüllen. Sonja geht es wohl nicht so gut. Leider verlieren wir die zwei hier dann aus den Augen und wir fragen uns später, ob sie wohl aufgegeben haben?
 
Klaus, Clyde und ich gehen auch weiter. Eine Werbetafel für einen Getränkehandel zwei Straßen weiter lässt hoffen. Doch auch hier finden wir nur geschlossene Türen. Wir stellen fest, es handelt sich um eine ‚Besenwirtschaft‘. Hier hätte man Apfelmost erstehen können, der ja eh nix für mich ist. Es sieht auch so aus, als ob keiner zuhause ist. Überhaupt ist der ganze Ort wie ausgestorben. Nun, dann pilgern wir eben weiter. Am Ortsausgang sieht Klaus an einem Haus einen Wasserhahn. Keiner ist da, den wir fragen könnten, so füllen wir zwei Wasserflaschen ungefragt – und ohne schlechtes Gewissen - auf.

Dann wieder mal ein Grasweg, der uns in Richtung Weingarten führt. Wir können es schon unten im Tal liegen sehen. Ich finde es immer recht motivierend, das Etappenziel in Sichtweite zu haben. Kurz bevor wir dann in die Stadt hinunter gehen, machen wir nochmal eine kleine Pause. Unsere Laune ist gut, wir freuen uns, dass wir es bald geschafft haben. Aber Klaus ist etwas ko. Das Schieben von Clydes Wagen ist doch sehr anstrengend. Auch Clyde legt sich sofort in die Wiese und macht die Augen zu. Ich suche derweil die Unterlagen bzw. Adresse des Hotels raus, wo wir heute übernachten werden. 

Etwas über der Stadt thront die große Klosteranlage mit Basilika. Diese besichtigen wir noch kurz. Sie ist wirklich schön, aber wir sind nicht mehr so richtig aufnahmefähig. Wir beschließen, auch hier nochmal irgendwann herzukommen um die Basilika in aller Ruhe anzuschauen.


Wir finden noch eine Tafel mit dem Hinweis, das Santiago von hier aus 2400 km sein soll. Hm. Klaus meint, das ist seltsam, denn wir haben heute schon Schilder gesehen, da waren die Angaben deutlich unter 2000. Sind wir rückwärts gelaufen? Nein, es liegt wohl eher daran, welchen Weg nach Santiago man läuft. Es gibt ja inzwischen ziemlich viele Möglichkeiten. Nun, für heute nehmen wir die kürzeste gesehene Entfernung (1983 km). Das gibt uns ein Gefühl von Vorwärtskommen.
Auf dem Weg zur Unterkunft, finden wir in der Innenstadt ein Kaufland Supermarkt und Klaus geht hinein um ein Sixpack Apfelsaftschorle zu kaufen. Immer nur pures Wasser ist auf Dauer bisschen langweilig …

Am Ende der Fußgängerzone finden wir dann auch den Gasthof Waldhorn. Endlich. Doch dann der nächste Schock: Ein großes Schild an der Hauswand: Wir haben Betriebsferien. Argh! Ich hatte doch extra reserviert. Da hat keiner was von Betriebsferien gesagt … Doch ein weiterer Blick zeigt das etwas kleiner geschriebene Schild darunter: das Hotel ist geöffnet, Eingang um die Ecke! - Und wieder stehen wir vor einer verschlossenen Tür. An dieser wieder ein Schild, man soll, wenn man denn reserviert hat, eine Handynummer anrufen. Ich wähle die Nummer. Nix. Ich versuche es zweimal, dreimal. Nix. 
Na wenigstens stehen hier Bänke und Tische und Klaus hat es sich da erstmal bequem gemacht. Nach einer gefühlten Ewigkeit dann ein Rückruf. Die nette Dame erklärt mir, neben dem Eingang sei ein kleiner Safe. Ich bekomme den Code, und darin der Schlüssel mit meinem Namen und einer Zimmernummer. Nichts wie rein.
Wir sind freuen uns, als wir endlich im Zimmer sind. Erstmal Rucksack runter und Schuhe aus. Dann die ersehnte Dusche. Ein frisches Shirt anziehen und schon sieht die Welt wieder bunt aus.

Etwas später machen wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem und gehen wir wieder durch die Innenstadt. Vorhin war hier wesentlich mehr los. Und da waren doch auch noch viel mehr Restaurants, oder? Letztlich finden wir noch ein griechisches Lokal, dass einen Biergarten hat. Der Abend ist sommerlich warm und wir möchten unbedingt draußen sitzen. Wenn ich so unterwegs bin, also immer draußen, mag ich nach einer Weile gar nicht mehr drinnen sein. Zum Schlafen, ja das ist okay, aber ansonsten beklemmen mich geschlossene Räume dann fast.
Das Essen ist so naja, aber es macht satt. Christine und Elisabeth laufen vorbei und wir plaudern noch einen Moment. Sie übernachten im Rössle (ich hatte dort auch angefragt, aber die nehmen keine Hunde). Sie haben auch dort gegessen und es sei richtig gut gewesen. Wenn wir das gewusst hätten. Aber wenn man sich nicht auskennt, ist es in einer fremden Stadt eben schwieriger ein gutes Restaurant zu finden.
Auf dem Rückweg zu unseren Unterkünften machen wir noch an der Eisdiele Halt und gönnen uns einen schönen großen Eisbecher.

Später, kurz bevor ich dann einschlafe, denke ich noch: Im Gegensatz zu meiner großen Pilgerreise 2011, bei der es gut 2 – 3 Wochen dauerte, bis ich so richtig auf dem Weg angekommen bin, bin ich diesmal schon nach diesen wenigen Tagen ganz und gar auf dem Weg. Kein Fernsehen oder Radio, im Prinzip kein Kontakt zu Zuhause, lenkt ab. Es interessiert mich auch nicht wirklich was so passiert. Wichtig ist es, einen Fuß vor den anderen zu setzen, den Weg zu finden und ihm zu folgen, Wasser Nachschub besorgen und essen. Mehr nicht. Ich bin ganz und gar angekommen im ‚weg sein‘.